Kurzgeschichten

these boots are made for wading – Teil XII: Die Invasion

Zuletzt aktualisiert am 12. Dezember 2011 von DarkISI

Das Heulen der Alarmsirene traf Miguel völlig überraschend. Er vergaß den beruhigenden Anblick des hell leuchtenden Sterns, den er eben noch genossen hatte, und rannte los. Sein Training übernahm die Kontrolle über seinen Körper. Adrenalin schoss durch seine Adern als eine Durchsage ertönte und ihm bestätigte, dass es sich nicht um eine Übung handelte.

Nicht nur war er für die Fortsetzung des jahrhundertelangen Kampfes gegen den Feind ausgebildet, sogar die gesamte Teilstreitkraft war nur für diesen Zweck ins Leben gerufen worden. Sie sollten die Speerspitze sein, wenn der Krieg weiterging. Doch nun, da es genau dazu gekommen war, wirkte es für Miguel vollkommen surreal. Er hatte ein neues Leben begonnen als er der Marineinfanterie beitrat, doch jetzt fühlte es sich an, als würde er das Leben eines anderen führen. Seine Handgriffe waren eingeübt und liefen wie automatisch ab. Innerhalb kürzester Zeit steckte er in seiner Uniform, schnappte sich sein Marschgepäck und verließ wieder eilends die Barracke.

Doch nun versagte alles antrainierte Verhalten. Eigentlich wäre es nun Miguels Aufgabe, seine Männer antreten zu lassen, ihre Ausrüstung auf Vollständigkeit zu prüfen und dann zur Waffenkammer zu führen um dort ihre Gewehre in Empfang zu nehmen. Seine Männer waren jedoch alle im Urlaub. Außer ihm waren nur die Marineinfanteristen im Wachdienst sowie logistisches Personal auf dem Kasernengelände. Vermutlich war er sogar der einzige anwesende Marineinfanterist, der beim Ertönen des Alarms nicht ohnehin seine Waffe zur Hand hatte.

Es war lächerlich. Die gesamte Kaserne war im Alarmzustand und nur eine lächerliche Handvoll stand überhaupt zur Verteidigung bereit. Miguel eilte zur Waffenkammer. Wie von Miguel befürchtet gab es dort keine Ansammlung von Soldaten, die auf die Herausgabe der Gewehre wartete. Die diensthabenden Wachen wussten überhaupt nicht, wem sie das ganze Arsenal geben sollten. Miguel drückten sie daher außer seinem Gewehr und einer Überzahl an Ladestreifen auch noch eine Kiste Handgranaten in die Hand. Immerhin würde jeder Verteidiger bis an die Zähne bewaffnet sein.

 

Ein weiterer Luxus ihrer kläglichen Situation bestand darin, dass jeder einzelne Soldat in der Kaserne ein eigenes Funkgerät erhielt. Das Logistikpersonal leistete seinen Beitrag, indem die Männer und Frauen ständig zwischen der Waffenkammer und anderen Lagern sowie den Verteidigungspunkten am Außenrand der Kaserne hin- und herrannten und dabei weiteres Equipment verteilten. Miguel hatte sich mit einem anderen Wachsoldaten hinter einigen Sandsäcken in der Nähe des Südtores verschanzt. Ihre Gewehre waren griffbereit an ihren Schutzwall gelehnt und jeder von ihnen lag hinter einem eigenen Maschinengewehr. Die Order, zuerst die schwersten zur Verfügung stehenden Waffen einzusetzen und erst dann auf die normalen Gewehre zurückzugreifen, war vor noch nicht einmal einer Stunde ausgegangen.

Mit dieser Order hatte Miguel auch erst erfahren, welcher ihrer Offiziere zur Zeit Dienst als Kasernenkommandant hatte. Ausgerechnet Major Rojo. Der Kerl war ein inkompetenter Unsympath, wenn es je einen gegeben hat.

Ihre Auswahl an Kampfmitteln wuchs noch weiter. Ein ziviler Armeeangehöriger, der nun jedoch eine Uniform ohne Rangabzeichen trug, brachte ihnen einen Kurzstreckenraketenwerfer. Also rechnete man wohl auch mit einem Angriff schwerer Truppen. Natürlich. Eine schwierige Situation wäre schließlich der Marineinfanterie nicht würdig. Unmöglich musste sie schon sein. Wahrscheinlich würde jeden Moment eines dieser metallenen Ungeheuer vom Himmel fallen, mit denen der Feind einst das gesamte Königreich in die Knie gezwungen hatte bis es gelungen war, sich selbst einige dieser Maschinen zu beschaffen und sich das Blatt wendete.

Seitdem hatten sie den Feind immer weiter zurückgedrängt. Inzwischen sah es so aus, als würden sie diesen auch gänzlich besiegen können. Dann wäre das Königreich endlich frei. In dieser sternenklaren Nacht sah es jedoch anders aus. Offensichtlich hatte der Feind nicht vor, zuzulassen, dass die Marineinfanterie an seinen Küsten anlandete und wollte dem zuvorkommen. Man wollte sie zerschlagen, ehe sie zum Einsatz kamen.

Und der Feind hatte sich den bestmöglichen Zeitpunkt dafür gewählt. So schwach verteidigt wie in dieser Woche würde ihr Stützpunkt für lange Zeit nie wieder sein. Bei einer Woche Urlaub würden die Marineinfanteristen auch nicht einfach nur in den nächstgelegenen Städten verschwunden sein sondern sich weit von hier entfernt haben. Man hatte sie schließlich auch vom gesamten Planeten rekrutiert. Jedenfalls vom gesamten Teil des Planeten, der unter Kontrolle des Königreichs stand.

Selbst bei sofortiger Benachrichtigung würden alle Stunden brauchen um hierher zurückzukommen. Sollte der Feind also noch in dieser Nacht angreifen, wäre es hoffnungslos.

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