Kurzgeschichten

these boots are made for wading – Teil VIII: Die Prinzessin

Zuletzt aktualisiert am 28. November 2011 von DarkISI

Dies würde ihre entscheidende Prüfung sein. Eine mehrtägige Geländeübung, die eine abermalige Reise für sie beinhaltete. Endlich brachte man sie in ihr wahres Element, ihre wahre Heimat, ihr natürliches Habitat. Und es zeigte auf, wer die Großzügigkeit besaß, seine Mahlzeiten mit allem zu teilen, das in diesen Gewässern schwamm.
Auch Miguel fand es nicht besonders angenehm, in den schaukelnden Landungsbooten zwischen den übrigen Mitgliedern seiner Einheit eingepfercht über das Meer zu fahren, aber er behielt zumindest sein Frühstück bei sich. Sicherheitshalber hatte er aber auch nur wenig zu sich genommen um es im Zweifelsfall wieder herunterschlucken zu können. Er hatte kein Interesse daran, sich vor seinen Männern zu blamieren. Seine Männer. Das klang für ihn noch immer wie ein schlechter Scherz. Aber man hatte ihm den Befehl über den ersten Zug der ersten Kompanie des ersten Bataillon der Marineinfanterie gegeben. Als Zugführer war es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Befehle Aguirres ausgeführt wurden, aber ihm stand es dabei auch zu, selbst zu entscheiden, wie dies zu geschehen hatte. Wenn der Alférez befahl, einen Bunker zu säubern, konnte Miguel seine Männer so einsetzen wie er es für richtig hielt um dieses Ziel zu erreichen.
Mit genau diesem Befehl rechnete er sogar fest und hatte sich schon seine dazu Gedanken gemacht. Bunker waren deutlich schwieriger zu knacken als die MG-Nester gegen die sie in den letzten Manövern angetreten waren. Bunker waren auch sehr gut von oben gedeckt, oft getarnt und sie boten nur wenig Angriffsfläche. Ihr größter Nachteil war der eingeschränkte Feuerbereich, doch wurde das meist durch einander unterstützende benachbarte Stellungen wieder ausgeglichen, wodurch auch ein Umgehen unmöglich gemacht wurde.
Miguel wurde klar, dass er versuchte, ein Problem zu lösen, an dem schon andere Militärplaner sich die Zähne ausgebissen hatten. Bunker mit Maschinengewehren, gegebenenfalls noch Mörserunterstützung, waren ein simples und kostengünstiges System um Infanterie aufzuhalten. Gepanzerte Einheiten hatten hier schon wesentlich bessere Chancen, durchzubrechen oder den Weg für Infanterie frei zu machen. Effektiv waren auch vorhergehende Bombardements von Flugzeugen oder, was im Rahmen dieser Übung geschehen sollte, durch Schiffsgeschütze. Natürlich würde dies anders gehandhabt werden als mit ihren Infanteriewaffen. Für so schwere Kaliber gab es keine Farbpatronen. Sie hatten nicht einmal Handgranaten oder Raketenwerfer dieser Art, da diese bereits zu leicht für schwere Verletzungen sorgen konnten. Stattdessen verbanden die Seestreitkräfte dieses Manöver mit einem Schießen mit scharfer Munition auf ein kleines Atoll. Deren Trefferquote dort sollte dann dem Erfolg eines ihrer Landung vorhergehenden Bombardements entsprechen. Trafen sie die Hälfte der Ziele, würden auch die Hälfte der Bunker als zerstört gelten, blieben unbesetzt und stellten damit Lücken in der Verteidigung dar, durch welche die Infanterie hindurchschlüpfen könnte.
Doch erst einmal mussten sie es in diesen Nussschalen bis zur Flotte schaffen. Wasser spritzte über die Imitation einer Reling, die man diesen unförmigen motorisierten Schwimmkörpern verpasst hatte. Miguels Aufgabe war es daher eigentlich auch noch nicht, irgendwelche Angriffspläne zu entwickeln, sondern die Moral auf diesem schwankenden Untergrund aufrecht zu erhalten.
„Fünf Minuten!“ rief ihm der Skipper zu und Miguel hob die Hand als Zeichen, dass er verstanden habe. Immerhin war ein Ende dieser Tortur in Sicht. Und dann widerum kam der Gedanke, dass diese Tortur zu ihrem alltäglichen Geschäft gehören würde, wenn ihre Ausbildung endlich zu Ende war. Anlandung an feindlich besetzte Strände war eine der zentralen und exklusiven Aufgaben der Marineinfanterie. Und es würden genau diese blechernen Nussschalen sein, die sie an die Strände bringen würden. Größere Schiffe, die stabiler in der See lagen, kamen aufgrund ihres Tiefgangs nicht weit genug heran. Aber immerhin würden sie sich in wenigen Minuten auf einem solchen erst einmal wieder erholen dürfen.
„Cabo? Da ist sie!“ Alle Männer in der Kompanie nannten ihn nur „den Cabo“. Zwar gab es noch zwei andere, die zum Cabo befördert worden waren und er genaugenommen Cabo Mayor, aber es hatte sich dennoch so eingebürgert. Sein bester Freund Luis trug nun die Rangabzeichen eines Cabo Primero, war jedoch leider in die zweite Kompanie versetzt worden, da dort ein Mangel bestanden hatte. In der dritten Kompanie war ein Brigada zugleich Kompanieführer und höchster Unteroffizier des ganzen Bataillons. Das war jedoch Carlos, der bereits im Rang eines Sargento als einer ihrer Ausbilder in der Marineinfanterie begonnen hatte.
Miguel folgte mit den Augen dem ausgestreckten Arm des Rekruten, der ihn auf ihr Ziel aufmerksam gemacht hatte. Ein Kreuzer der Seestreitkräfte und sogar Flaggschiff der kleinen Flotte. Anders als ihre Namensgeberin präsentierte sich die Princesa Maria als schlankes und ästhetisches Gebilde.
Das Landungsboot verlangsamte um mit dem Kreuzer längsseits zu gehen. Bei der geringen Fahrt, die beide Wasserfahrzeuge nun machten, bereitete dies dem Skipper keine große Mühe. Als sie in der richtigen Position angelangt waren, ließen mehrere Matrosen ein großes Kletternetz zu ihnen herab.
„Also los! Dann wollen wir mal die Princesa besteigen!“ Miguels Männer lachten und folgten ihm lachend hinauf.

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