Kurzgeschichten

Das Land der roten Rosen – Teil VII: Landung

Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2012 von DarkISI

“Fuchs klar!“
“Marder klar!“
“Wolf klar!“
“Bär klar! Durch!“ gab Urban als letzter Truppführer über Funk heraus. Das Schiff bebte als der Schub noch einmal gesteigert wurde. Kurz darauf setzten sie auf. Die Vibrationen und das Dröhnen der Triebwerke ebbten langsam ab.
“An alle: GO in zwanzig! Neunzehn! Achtzehn!“ Die versammelten und voll gerüsteten Söldner spannten sich an. Helles Tageslicht strahlte in die Ladebucht als sich die Rampe herabsenkte. Urban atmete tief ein und genoss die Frische der hereinströmenden Luft.
“Drei! Zwo! Eins! GO!“ Urban rannte los. Er und sein Trupp waren die ersten. In gerader Strecke über das Feld bis an die Baumgrenze und dort sichern. Dabei ausfächern und kein allzu leichtes Ziel für gegnerischen Beschuss bieten. Hunderte Male geübt und trotzdem immer wieder falsch durchgeführt. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass es diesmal genau so ablief wie er es wollte. Der nächste Trupp dagegen kam viel zu dicht aus dem Schiff. Thoms Trupp, der nun von Drechsler geführt wurde.
Urban verließ den Bereich, der vom Antrieb des Landungsschiffs in Brand gesetzt worden war und lief nun durch etwa kniehohen Bewuchs. Die Pflanzen sahen fremd aus, offenbar einheimische Gewächse. Damit konnte er auch nicht sagen, wie lange hier nicht mehr gerodet wurde. Laut den Karten, die sie bekommen hatten, sollte hier eigentlich inzwischen ein zweites Landefeld gebaut werden. Aber offenbar war zwar schon einmal der Bewuchs beseitigt, nicht jedoch mit den Aushubarbeiten begonnen worden. Damit war hier wohl mehr passiert als nur eine technische Störung der Kommunikationsanlage.
Er erreichte sein erstes Ziel und begab sich in Deckung, die anderen aus seinem Trupp waren beinahe zeitgleich mit ihm angekommen. Seine Sicht durch den Unterbewuchs war nicht gut und so robbte er noch weiter bis er einen guten Blick auf die Straße hatte, die vom Landefeld in Richtung der Forschungsstation führte.
“Marder eins, Bär Punkt“, meldete Urban leise in sein Funkgerät sprechend. Eine halbe Minute später waren auch die anderen Trupps in Position. Urban nahm den Feldstecher aus seiner Tasche und begann, die Umgebung zu beobachten. Vor ihnen setzte sich der dichte Bewuchs fort. Allein die befestigte Straße und schmale Streifen zu beiden Seiten bildeten eine Schneise durch den Wald. Und nirgendwo war eine Bewegung auszumachen. Es verwunderte ihn nicht. Jedes Tier, das dazu in der Lage war, würde vor dem Donnern eines landenden Schiffs das Weite suchen. Und Menschen erwartete Urban nicht. Die Besatzung der Forschungsstation hätte freudig auf sie, ihre Retter aus der Not, zustürmen können, aber an Märchen glaubte er nicht. Da war ein Angriff mit BattleMechs und anderem schweren Gerät wahrscheinlicher. Doch auch das hielt er für unwahrscheinlich. Wer auch immer für den Blackout verantwortlich war, war vermutlich schon längst wieder verschwunden und sie vergeudeten nur ihre Zeit. Immerhin wussten sie inzwischen, dass die Station selbst noch intakt war, soweit es die Aufnahmen beim Anflug beurteilen ließen. Auch hatten die Techniker ihnen mitgeteilt, dass die Bautätigkeit wohl etwa zur selben Zeit endete als die Kommunikation abriss.
“An alle, Fuchs eins, haben zwei Leichen gefunden. Stark verwest, sehen übel aus.“
“Fuchs eins, Bär eins, Position?“
“Straßenrand links, halb im Bewuchs, 50, 60 Meter.“ Urban suchte die Linie ab, konnte jedoch nichts erkennen. Da er selbst links der Straße kauerte, hatte er keine freie Sichtlinie.
“Bär rückt vor.“ Mit Handzeichen gab er seinen Männern zu verstehen, dass sie sich in Deckung weiterbewegen sollten. Ohne ein weiteres Wort robbten sie vorwärts. Nach nur zehn Metern stießen sie bereits auf weitere Leichen. Die Verwesung war schon so weit fortgeschritten, dass es nicht einmal mehr danach roch. Dem ersten Körper, den Urban fand, fehlten der Kopf und ein Arm vollständig, der zweite Arm lag unter dem Leib. Überall, wo keine Bekleidung vorhanden war, fehlten Haut, Fleisch und Organe vollständig. An den Knochen, von denen viele nicht mehr in ihrer ursprünglichen Position saßen, zeigten sich Nagespuren. Khaki-Shorts und ein an vielen Stellen zerrissenes T-Shirt sowie die Turnschuhe sprachen für einen der Zivilisten aus der Station. Ob Techniker oder Forscher, Mann oder Frau, vermochte Urban in diesem Zustand nicht zu sagen. Sie zählten neun Leichen, die über eine Strecke von zweihundert Metern verteilt lagen.
Nur bei manchen fanden sie Schmuck oder andere Gegenstände und Merkmale, die für eine Identifizierung taugten. Überraschenderweise fanden sie nur bei einem Hinweise auf Waffeneinsatz. Bei diesem sah es danach aus, als hätte er sich die Pistole, die neben dem Körper lag, selbst in den Mund gesteckt und abgedrückt. In deren Magazin waren noch zwei Patronen, weitere Waffen fanden sie bei ihrer zweistündigen gründlichen Suche nicht. Die meisten Opfer wiesen schwere Knochenbrüche auf, Rippen, Arme, Beine, ein eingeschlagener Schädel, Wirbel die kaum noch als solche erkennbar waren.
Urban berichtete regelmäßig an Pschorn, die im Landeschiff geblieben war. Einen Reim konnten sie sich auf das Gefundene nicht machen. Beide verstörte der Anblick toter Menschen nicht, auch nicht wenn diese übel zugerichtet waren. Autokanonen und andere Mechwaffen ließen selten etwas von einem Getroffenen übrig, das sich noch für einen offenen Sarg eignete. Dies hier sah jedoch nicht nach einer kriegerischen Auseinandersetzung aus. Nirgendwo waren Kettenspuren, Fußabdrücke von Mechs, Einschlagkrater oder Patronenhülsen schwerer Geschütze zu entdecken. Alles Spuren, die auch nach Wochen und Monaten trotz der sich erholenden Vegetation zu finden sein müssten.
“An alle, Marder eins: weiter nach Plan“ gab Pschorn schließlich über Funk durch und sie gaben die weitere Untersuchung auf.
Langsam und nach allen Seiten beobachtend rückten sie weiter vor und erreichten nach einem Kilometer anstrengendem Fortbewegens in niedrigen Gangarten die Waldgrenze. Hier war die Straße zu beiden Seiten von Ackerflächen flankiert. Der Blattsalat hätte geerntet werden können, auch wenn sich inzwischen viel Unkraut ausgebreitet hatte. Über die Felder hinweg konnte Urban die äußeren Gebäude der Station sehen. Einfache Konstruktionen aus Stahl und Glas, weiter hinten lieblose Betonbauten. Nirgendwo ein Zeichen dafür, dass hier noch jemand lebte. Viele Fensterscheiben waren beschädigt oder fehlten ganz. An einer Kreuzung konnte Urban durch den Feldstecher etwas ausmachen, das nach dem Teil einer Arbeitsmaschine aussah, jedoch halb von einer Gebäudeecke verdeckt war.
“Fuchs, Bär eins, haben Sie Sicht auf Objekt in Kreuzungsbereich, geradeaus 500, dunkelgelb lackiert?“
“Bär eins, Fuchs, sieht nach dem Arm eines Agro- oder Cargomechs aus.“
“Marder eins, Bär eins, welche Mechs waren hier eingesetzt?“
“Bär eins, warten“ antwortete ihm Pschorn. Urban suchte währenddessen die Fenster des nächstgelegenen Gebäudes ab. Im obersten Stockwerk stand eines offen und irgendetwas hing heraus. Ein Seil? Nein, aber es sah beinahe danach aus. Nach einigen Sekunden realisierte er, dass es ein Feuerlöschschlauch war.
“Was ist hier nur passiert?“ murmelte er zu sich selbst.
“Bär eins, Marder eins, Objekt wahrscheinlich Crosscut LoggerMech. Linker Arm hat eine Greif- und Hebevorrichtung?“ Urban richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Kreuzung. Ein Tier huschte über die Straße und verschwand in einem Schatten. Erkennen konnte er es nicht. Unwillkürlich lief ihm ein eiskalter Schauder über den Rücken obwohl ihm sein Verstand sagte, dass es kaum dieses Tier  in der Größe einer Katze sein konnte, das für all dies hier verantwortlich war. Er konzentrierte sich auf die Maschine oder das, was er davon sah. Ja, das konnte ein großer Greifer eines Mechs sein.
“Bestätigt, Marder eins“, gab Thilo Weichel durch.
“An alle, Marder eins, wie ist Zustand der Kommunikationsanlage?“ Urban holte den zusammengefalteten Plan der Anlage aus seiner Brusttasche. Er fuhr mit dem Finger über die feinen Linien. Die Station besaß zwei getrennte Anlagen. Ein regulärer Funkmast und eine Parabolantenne für die Verbindung zu den Sprungpunkten. Die Parabolschüssel fand er auf dem Plan zuerst, ein Oval von 30 Metern am Nordrand der Station. Sie selbst hatten sich von Westen her genähert.
“Marder eins, Fuchs eins, Sendemast steht nicht mehr.“ Urban suchte den Nordrand der Station ab und entdeckte bald die Schüssel. Diese befand sich jedoch nicht mehr auf ihrem Drehturm sondern in zwei Teile gespalten neben diesem.
“Marder eins, Bär eins, interplanetare Funkanlage ist ebenfalls zerstört“ meldete Urban.
“An alle, Marder eins, weiter vor. Sobald Ihr drin seid jede Minute melden!“

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